Die Mainzer Favorite  am Vormittag des 29. Mai 1781 beim Besuch von Kaiser Joseph II.
Das kurfürstliche Lustschloss in Mainz
 Ölgemälde: Kulturstiftung Hanna und Stefan Schmitz (© André Brauch), 2023, Öl auf Leinwand, 160 cm x 110 cm


Das Lustschloss Favorite mit seiner barocken Gartenanlage vor den Toren von Mainz strahlte Macht und Pracht der Kurfürsten aus wie kaum ein anderes Bauwerk in Mainz. Das von dem verstorbenen Kunstmäzen Stefan Schmitz in Auftrag gegebene Ölgemälde des Historienmalers André Brauch zeigt nach mehr als 200 Jahren wieder die prächtige Schlossanlage in ihrem letzten und bis heute nur wenig bekannten Ausbauzustand.

Mainz im Jahr 1700. In der Martinsburg residiert seit fünf Jahren Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn. Als barocker Herrscher ist es ihm wichtig, seine führende Rolle in Reich und Kirche nach außen prachtvoll zu repräsentieren. Namhafte Künstler der Zeit sind deshalb immer wieder gern gesehene Gäste am Mainzer Hof. Ein Projekt liegt Lothar Franz dabei ganz besonders am Herzen. Wie andere europäische Fürsten will auch er im „Centralort des Reiches“ ein repräsentatives Lustschloss (französisch „Maison de plaisance“, was auch „Landhaus“ bedeutet) für private Veranstaltungen oder zwanglose Begegnungen haben, bei denen auf ein aufwendiges Hofzeremoniell und höfische Repräsentation verzichtet werden kann. Damit beginnt die Geschichte der Favorite, deren Architektur und Gartengestaltung später für Bewunderung in ganz Europa sorgen sollte.

Referenz an Wien und Paris
Aufgrund der Lage des Erzstiftes an der Westgrenze des Reichs war Mainz sowohl vom kaiserlichen Hof in Schönbrunn als auch durch den französischen König in Versailles beeinflusst. Die Namensgebung der neuen kurfürstlichen Schlossanlagen war deshalb kein Zufall. Mit Blick auf Wien war hierfür die kaiserliche Sommerresidenz „Favorita“ das Vorbild. Die architektonische Gestaltung orientierte sich dagegen an dem Lustschloss Marly-le-Roi von Ludwig XIV. bei Paris.
Für die Lage seines Repräsentationsbaus wählte Lothar Franz von Schönborn den Hang des Albansbergs unmittelbar am Rheinufer und gegenüber der Mainmündung. Nachdem er dort den vom Mainzer Dompropst Graf Christian Rudolf von Stadion angelegten Stiftsgarten erworben hatte, ließ er dort zügig mit den Bauarbeiten beginnen. Auf der Höhe des Albansbergs wurde zwischen 1713 und 1725 die Karl-Schanze als eine von drei den Bastionen und der Zitadelle vorgelagerten Festungswerken errichten, wobei die 1684 errichtete und auf dem Gemälde oben rechts zu sehende St. Alban-Kapelle integriert wurde. Noch bevor die Arbeiten an der Schanze beendet werden konnten, waren im Jahr 1722 die Bauarbeiten für die Favorite mit seinen Gebäuden, Wasserspielen und verschiedenen Gärten abgeschlossen. Mehr als zwanzig Jahre hatten diese angedauert.

Spektakuläre Blicke auf Rhein und Main

Die Favorite gehörte mit einer Länge von 400 m und einer Breite von 140 m nicht zu den größeren Lustschlössern des europäischen Barocks.  Durch die meisterhafte Ausnutzung des Geländes sowie die Anordnung der Gebäude war es den Architekten aber gelungen, den Eindruck von Weiträumigkeit und Großzügigkeit zu vermittelten. Für die Favorite wurde die bis dahin vorherrschende einheitlichen Achsenstruktur des Barockgartens mit ihren großen geometrisch angelegten Blumenbeeten aufgelöst und durch drei parallel nebeneinander und zum Rhein hin ausgerichtete Gartenanlagen ersetzt.
Im südlichen Garten, dem sog. Petit Marly, befand sich an der Grenze zum Koster Kartause das Rheinschlösschen als Wohnung für den Fürstbischof. Der Gartenteil bestand aus zwei Parterre, auf deren untere ein großes Wasserbassin mit einer Grotte für einen Blickfang sorgte. Das obere Parterre wurde durch sechs, jeweils zu drei Paaren gestaffelten und eingerückte Pavillons für die Hofgesellschaft geprägt, die das Auge des Betrachters auf die breitgelagerte und repräsentative Orangerie lenkte. Der daneben liegend, zweite und mittlere Garten war als Wasserachse angelegt und mit Terrassen untergliedert. Diese waren durch aufwendige Kaskaden und großzügige Treppenanlagen miteinander verbunden und ermöglichten spektakuläre, in vielen Quellen überlieferte Ausblicke auf den Zusammenfluss von Rhein und Main und das Taunusgebirge. Einen völlig anderen Charakter als die Wasserachse hatte der dritte Gartentrakt, bei dem es später noch zu größeren Veränderungen kommen sollte. Dieser nördliche Garten bestand nach seiner Fertigstellung aus zwei Teilen, die durch eine mit Baumkegeln geschmückte Treppe verbunden war. Unten am Rhein befand sich der nach der Stadt gelegene Eingang, der über eine Sichtachse bis zum Rheinschlösschen verfügte und eine repräsentative Zufahrt ermöglichte. Der obere Bereich war durch eine Große Promenade mit vier Reihen von Rosskastanien bestimmt.

Wasserspiele und Wassertreppen

Die Wasserspiele und Wassertreppen der Favorite wurden durch eine Brunnenstube am Hechtsheimer Berg und neu gebaute Wasserleitungen versorgt. Auf dem Gemälde sind das große Wasserbecken hinter der Orangerie und das schmuckvoll verblendete Château d'eau (Wasserturm) oberhalb der mittleren Wasserachse zu erkennen, die beide durch einen auf der Höhe des Albansbergs eingerichtetes Wasserreservoir im Graben der Karl-Schanze versorgt wurden und anschließend das Wasser zu den verbliebenen Wasserkünsten und -treppen leiteten. Auf dem Bild links ist die Figur des Flussgottes Rhenus im Stadtpark zu sehen, die ein figürlicher Bestandteil des chateau d’eau war.

Prächtige Kupferstiche
Dieses Bild der ersten Ausbauphase der Favorite wird bis heute durch die zwischen 1723 und 1726 geschaffene Serie von vierzehn prächtigen Kupferstichen von Salomon Kleiner geprägt (siehe links einen Kupferstich aus der Serie). Auch wenn diese nur begrenzt den Anspruch einer objektiven historischen Quelle erfüllen können, so breiten diese Stiche eindrucksvoll das Panorama der barocken Favorite aus und versetzen heute noch die Betrachter immer wieder in Staunen.

Die Darstellung der Schloss- und Gartenanlage auf dem Gemälde von André Brauch weicht in mehreren Stellen von den berühmten Kleiner-Stichen ab. Was hat den Künstler dazu bewogen? Das liegt darin begründet, dass die Kleiner-Stiche viele optisch markante Elemente zeigen, die lediglich projektiert (z. B. Wassertreppe oder wasserreiche Große Kaskade vor der Orangerie) oder in veränderter Form (z.B. Rheinschlösschen) ausgeführt wurden.

Eine Rekonstruktion der Favorite auf Grundlage der Kleiner-Stiche würde damit eine Schlossanlage zeigen, die es in Wirklichkeit so nicht gab. Daraus folgt die Frage, ob es einen Bauzustand der Favorite gib, der belegt ist. Und tatsächlich. Diesen gibt es.

Nachgewiesener Ausbauzustand
Im Jahr 1779 erschien in Paris ein Plan von Georges Louis Le Rouge, der erstmalig die genauen Maßverhältnisse enthielt sowie die exakte Anordnung von Bauwerken und Gartenbestandteilen aufzeigt und ausführlich beschreibt (siehe Bild links). Der Pariser Plan war damit die ideale Grundlage für das Ölgemälde, um mit diesem einen nachgewiesenen Ausbaustand der Favorite zu zeigen sowie einen genauen Blick auf die zeitgenössische Mode, auf die damalige Schifffahrt und Gartenarbeit, das kurmainzer Militär sowie auf die sozialen Schichten der Bevölkerung zu richten.

Spätere Veränderungen
Darüber hinaus ermöglichte es der Plan, eine Reihe von Umbauten der Favorite nachzuvollziehen, die nach dem Abschluss der ersten Bauphase durchgeführten wurden. Die einschneidendste Veränderung an der Favorite entstand um 1730 im nördlichen Gartenabschnitt. Der neue Kurfürst Franz Ludwig von der Pfalz baute dort einen „Trianon de Porcellaine de Marly“.  Dieses prunkvolle Gebäude war innen mit einem porzellangetäfelten Raum und einem Wasserbassin ausgestattet und wurde als Porzellanschlösschen für gesellschaftliche Unterhaltung wie z.B. Konzerte und Spielgesellschaften genutzt. Auf dem Gemälde ist das Porzellanhaus am rechten Bildrand angeschnitten. Auch weitere Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Ausbaustand der Favorite sind auf dem Gemälde zu sehen. Hierzu gehören zum Beispiel die Form der Beete sowie im Norden hinter der Orangerie die Stallungen und Wirtschaftsgebäude sowie das große Gewächshaus neben den rechten Pavillons.
Die Favorite hatte jetzt ihren endgültigen Ausbauzustand erhalten. Die von Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal begonnene Erweiterung der Favorite auf dem Gelände des 1790 bis 1792 weitgehend abgebrochen Kartäuserkloster wurde nicht mehr abgeschlossen. 

Zerstörung
Nach der Eroberung von Mainz durch die Franzosen machten diese im Jahr 1793 das Schloss und den Garten der Favorite dem Erdboden gleich, um für die bevorstehende Belagerung der Stadt vor den Festungsanlagen freies Schussfeld zu erhalten. Die Steine wurde später für den Neubau von Festungsbauten in Kastel genutzt und heute erinnern nur noch der Flussgott Rhenus sowie der Herkules im Mainzer Stadtpark an das Schmuckstück des barocken Mainz.

Lage der Favorite im Ausbauzustand von 1779 im heutigen Stadtpark von Mainz