Der Mainzer Hoftag an Pfingsten 1184
Es war eine großartiges Fest. Dichter und Chronisten haben es als ein prächtiges Ereignis gefeiert und es über alle Maßen gepriesen. Es war eine Verbindung von politischem Hoftag und kirchlichem Hoffest, von herrschaftlichem Glanz und Repräsentation, von Macht und Reichtum, von höfischer Tugend und Freigebigkeit, von Spiel und Gesang, von Frohsinn und Fröhlichkeit, von Festmählern und Turnierkämpfen. Vor allem war es aber ein Ausdruck der Verbindung von Kaisertum und Rittertum. Die Veranstaltung bildete einen Höhepunkt der kaiserlichen Herrschaft und eine Geschichte des aufsteigenden Rittertums. Deutschland hatte endlich Anschluss an die Entwicklung Frankreichs gefunden, das in der Ausbildung der ritterlichen Kultur vorangegangen war.
Eingeladen zu dem Pfingstfest im Jahr 1184 hatte Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Über weite Strecken und mehrere Tage lang und wohl oft auch sehr beschwerlich waren die großen Fürsten des Reichs zusammen mit vielen Tausenden von ritterlichen Vasallen und Dienstleuten nach Mainz gereist und waren auf den Inseln und Rheinauen auf dem rechten Rheinufer untergebracht worden. Der Kaiser und seine Familie wohnen mit den Edelsten des Reichs auf der Insel Maaraue an der Mündung des Mains in den Rhein.
Das Hoffest begann sonntags mit der Festkrönung des Kaisers, der Kaiserin und ihres Sohnes, dem achtzehnjährige König Heinrich. Im Mittelpunkt des zweiten Tages stand die Schwertleite der beiden Kaisersöhne Heinrich und Friedrich, der bis einschließlich des dritten Tages große, glanzvolle Kampfspiele folgten.
Das Gemälde wirft einen Blick auf den Vormittag des Pfingstmontags am 21. Mai 1184, nachdem die Söhne des Kaisers in den Kreis der Ritter aufgenommen waren und die Kampfspiele auf der Maaraue begonnen hatten.
Die höfisch-ritterliche Gemeinschaft beim Pfingstfest
Die Maaraue ist mit einer riesigen Zeltstadt und mehreren Holzbauten bedeckt. Die Ebene wimmelt von Zelten, Fahnen und Standarten. Die Reichsfürsten sind in großen Prunkzelten untergebracht, die teilweise von Zäunen umgeben sind. Die kleineren Rundzelte gehören den Rittern. Die kleinen Kegelzelte sind den Knappen zuzuordnen. Vor den Zelten wird auf vielen Feuerstellen gekocht und auf Bänken und Tischen wird gegessen oder gespielt.
Logistisch war das dreitägige Pfingstfest eine erstaunliche Höchstleistung. Eine ganze Flotte von Schiffe, die an den Ufern und auf dem Fluss zu sehen ist, stellt den Transport von Menschen und Lebensmitteln sicher. In der Nähe des rechten Rheinufers sind auf der Maaraue hölzerne Wirtschaftsgebäude und Vorratshäuser zu sehen, die mit Getreide, Brot, Schlachtvieh und mit Wein aus dem Rheingau gefüllt sind. Pferdefuhrwerke verteilen die gewaltigen Mengen der Vorräte innerhalb der Zeltstadt und nutzen die Wege ebenso wie die Ritter, die zum Turnierplatz reiten.
Auf dem Bild ist ganz rechts auf dem Kampfgelände König Heinrich, ein Sohn Kaiser Friedrich Barbarossas zu sehen. Er trägt als einer der wenigen Ritter einen Schild mit dem Adler als Wappen. Solche Wappenschilder werden noch nicht von allen Rittern genutzt, sondern waren gerade erst nach den beiden Kreuzzügen als Erkennungszeichen der Ritter aufgekommen.
Die mittelalterliche Stadt Mainz
Das Gemälde vom Hoffest Kaiser Friedrich Barbarossas wirft einen seltenen Blick auf Mainz im ausgehenden 12. Jahrhunderts. Es ergänzt die im vergangenen Jahr vorgestellten 3D-Rekonstruktionen der Stadt in den Zeitphasen um 800 und um 1250, die für die große Mittelalterausstellung im Landesmuseum erfahrbar gemacht worden waren.
Die Silhouette von Mainz war 1150 nach einer Beschreibung von Otto von Freising „am Rhein mit prächtigen Gotteshäusern […] geziert“. Auf dem Gemälde ist in der Mitte der Dom, links daneben St. Johannis und St. Mauritius zu sehen. Etwas weiter links auf der Höhe erkennt man St. Stephan und am linken Bildrand mit den zwei Türmen St. Ignaz. Vor dem Dom ist die Liebfrauenkirche zu sehen. Weiter rechts St. Quintin und ganz recht vor den Toren der Mauer St. Peter. Der Ostbau des Doms hat schon das neue Aussehen. Der oberste Aufsatz am Nord- Ost-Turm ist noch nicht fertiggestellt. Im Westen hat der Dom das Aussehen des Willigis Bardo-Baus. Auf der Ostseite des Doms ist auf der Südostseite ein Turm zu sehen. Dieser war 1187 bereits errichtet. Der Nordosttum war noch nicht fertig gebaut. Hier fehlte noch das obere Geschoss. Dies war erst 1195 fertig. Auf dem Bild sind die Arbeiten für das neue Geschoss mit einem zeitgenössischen Kran herausgehoben. Ob das Langhaus über ein Dach oder zumindest ein Notdach verfügte (erst 1195 belegt), ist nicht abschließend geklärt. Deshalb ist dieser Teil des Doms auf dem Gemälde während der Umbauphase mit Gerüst dargestellt.
Entlang des Rheinufers sieht man die Stadtmauer, die größtenteils abgebrochen ist. Von der in einer Quelle von 1150 beschriebenen „starken Mauern […], die nicht wenige Türme hat“, ist nicht mehr viel vorhanden. Veranlasst hatte die Schleifung der Stadtmauer Kaiser Friedrich Barbarossa zwanzig Jahre vor dem Hoffest, nachdem die Mainzer im Sommer 1160 ihren Erzbischof im Kloster St. Jakob auf der heutigen Zitadelle ermordet hatten. Erst um 1200, zu Beginn des Thronstreits zwischen Otto IV. und dem jüngsten Sohn von Barbarossa, Philipp von Schwaben, durfte in Mainz wieder eine neue Mauer gebaut werden.
Neben der niedergelegten Stadtmauer ist auf dem Gemälde mit der Rheinbrücke eine weitere Ruine zu erkennen. Auf den Pfeilern der römischen Rheinbrücke hatte Karl der Große eine neue Holzbrücke gebaut, die 813 kurz nach der Einweihung durch einen Brand wieder zerstört worden war.
Das von dem Mainzer Mäzen Stefan Schmitz in Auftrag gegebene Ölgemälde wurde Ende 2021 im Landesmuseum Mainz vorgestellt. Mit diesem Bild hat sich das Konvolut des Künstlers von fast sechzig Gemälden mit Rekonstruktionen und Motiven aus Mainz und Rheinhessen um ein eindrucksvolles Werk vergrößert. Wo es in Zukunft zu sehen sein wird, bleibt abzuwarten.
Quelle des Bildes:
Kulturstiftung Hanna und Stefan Schmitz (© André Brauch)
Das Mainzer Pfingstfest bildete 1184 einen Höhepunkte in der Geschichte des Mittelalters und der höfisch-ritterlichen Kultur. Mit den vielen Details auf einem Ölgemälde des Historienmalers André Brauch und den sorgfältigen Rekonstruktionen kann der Betrachter in die spätmittelalterliche Welt eintauchen und mit Blick auf das mittelalterliche Mainz einen Augenblick des größten Fests erleben, das jemals in Deutschland gefeiert wurde.
Zum Nachlesen:
Büllesbach, Rudolf: Mainz im Hochmittelalter - Neue Blicke auf das Pfingstfest Kaiser Barbarossas, in: Mainz-Vierteljahreshefte (MVJH) 2/2022, S. 66 ff., 2021
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