Vorbereitungen für den Ersten Weltkrieg

Planungen für ein Schlachtfeld in Rheinhessen

 

 

Der 2. August ist der erste Mobilmachungstag in Rheinhessen. Mit diesem Datum begann ein lange vorher geplanter Krieg. Betroffen von den Planungen waren in besonderem Maße auch Mainz und Rheinhessen. Hier am Rhein entstand mit der Selzstellung eine der wichtigsten Festungslinien des Deutschen Reiches, die ein Bollwerk gegen einen Angriff französischer Truppen bilden sollte. Grundlage hierfür war einen Entscheidung von Kaiser Wilhelm II, eine Anordnung des Armeekommandos vom 23. Januar 1900, in der im Teil III „Das westliche Kriegstheater“ bestimmt wurde, eine „Selzstellung“ kriegsmäßig auszubauen. 

Die Entscheidung über den konkreten Bau und den Verlauf der neuen Festungslinie fiel schließlich 1907. Am 17. Januar des Jahres hatte der Kaiser in einer Allerhöchsten Kabinettsorder grünes Licht für den Ausbau der Festung Mainz gegeben und entschieden, dass "auf dem linken Rheinufer in der Linie der zukünftigen Befestigungen Wackernheim-Ober-Olm-Ebersheimer-Plateau-Laubenheim (…) Befestigungsanlagen auszuführen" sind. Einige Monate später kam es zu einer zehn Tage dauernden Festungsgeneralstabsreise, die unter Leitung des Generalstabschefs des Armeekorps abgehalten wurde und an der die Stabsoffiziere des Generalstabes, der Fußartillerie und des Ingenieurkorps, sowie jüngere Offiziere der Pioniere und der Infanterie teilnahmen. Untersucht wurde auf dieser Reise, ob und wie die Festung Mainz ihren militärischen Auftrag, den Rückzug für eine auf den Rhein zurückgehende deutsche Armee zu sichern, erfüllen kann. Vor dem Hintergrund dieses Verteidigungsszenarios verständigte man sich darauf, befestigte Gruppen bis an die nördlichen Talränder der Selz vorzuschieben und den Westerberg in Ingelheim einzubeziehen. Ein weiteres Ergebnis bestand darin, den Baubeginn nicht bis zum Kriegsbeginn hinauszuzögern, sondern mit dem Ausbau zeitnah zu beginnen. Hinter dieser Entscheidung stand die Erkenntnis, dass ein neuer Krieg immer wahrscheinlicher wurde und die Festung Mainz nach den vielen Jahren des Stillstands schnell aufgerüstet werden musste.

Mit preußischer Gründlichkeit begann 1908 der Bau der Selzstellung von Heidenfahrt über Ingelheim, Wackernheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Ebersheim, Harxheim, Gau-Bischofsheim bis Laubenheim. Zuständig für die Umsetzung war die Fortifikation Mainz. Anders als in früheren Zeiten wurden die Festungsanlagen nicht in Friedenzeiten „auf Vorrat“ fertiggestellt worden. Der Aufbau der Selzstellung erfolgte vielmehr in mehreren Schritten. Die Festung Mainz war ebenso wie die Festungen Breslau, Neubreisach oder Germersheim eine sogenannte "Depotfestung". Solche Festungen erhielten im Frieden nur wenige Werke. Der kriegsgemäße Ausbau dieser "Gerippstellung" sollte erst nach der Mobilmachung auf der Grundlage eines Armierungsentwurfs erfolgen. Hintergrund: Im industriellen Zeitalter wusste niemand vor einem Krieg genau, aus welcher Richtung die andere Seite kommen würde und wieweit sich die Kriegstechnik entwickelt haben würde. Deshalb war ab ca. 1900 für die Landesverteidigung ein „Krieg mit Bauplan“ ein neuer militärstrategische Ansatz.

In den sechs Jahren zwischen dem Baubeginn und dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der kriegsmäßige Ausbau mit lediglich zwölf Festungswerke, neuen Straßen, Eisenbahnen, Telegraphenkabeln und modernen Fernsprechleitungen sowie Lagerplätzen vorbereitet, damit nach Kriegsbeginn mit detaillierten Bauplänen (in der Festungssprache: Armierungsplänen) die standardisierten Festungsanlagen im Hinblick auf die dann vorhandenen Kriegsziele in kürzester Zeit errichtet werden konnten. So auch bei uns in Rheinhessen.

Die neue Verteidigungslinie führte in unserer Region mit dem Bau der neuen Selzstellung wahrscheinlich zu der größten zusammenhängende Baumaßnahme aller Zeiten. Bereits Ende August 1914 erstreckten sich mehrere Hundert moderne und betonierte Festungswerke im Halbkreis von Heidenfahrt, Ingelheim, Heidesheim, Wackernheim, Essenheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Ebersheim, Gau-Bischofsheim bis nach Weisenau. Die Versorgung und der Nachschub waren durch ein bereits in Friedenszeiten gebautes militärisches, über 40 km langes Straßen- und Bahnnetz, durch militärische Wasser- und Telefonleitungen sowie einer ab 1914 gebauten Zahnradbahn auf den Westerberg in Ingelheim sichergestellt.

Beschreibung und Quelle der Bilder

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Großes Bild oben und im Text: Kaiser Wilhelm II. im Kreis seiner Offiziere (oben und links) 
Bild im Test; Auszug der A.K.O vom 23. Januar 1900 (links)
(Quellen: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin)
Der Berliner Generalstab hatte kurz vor der Jahrhundertwende eine kaiserliche Entscheidung zur Zukunft der deutschen Landbefestigung vorbereitet. Wilhelm II. wurde der Vorschlag Mitte Januar 1900 vom Chef des Generalstabes der Armee General Alfred Graf von Schlieffen, dem Kriegsminister Heinrich von Goßler, dem Generalinspekteur der Fußartillerie sowie dem Generalinspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps der Festungen unterbreitet. Das umfangreiche Dokument enthielt die Eckpunkte für die Befestigung des »westlichen Kriegstheaters « (Kriegsschauplatz), die am 23. Januar 1900 die Grundlage der Allerhöchsten Kabinettsorder von Kaiser Wilhelm II. bildeten. Darin heißt es: »Auf den gemeinsamen Vortrag ... bestimme Ich: Als Anfang einer Befestigung der Selzstellung sind Werke bei Harxheim und Ebersheim zu erbauen. Der kriegsmäßige Ausbau der übrigen Stellung ist durch Bereitstellung der Baustoffe vorzubereiten.«
Diese A.K.O. war die Geburtsstunde der Selzstellung in Rheinhessen.


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3. Auflage

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