Der Erste Weltkrieg beginnt
Mobilmachung in Mainz und Rheinhessen
Es musste schnell gehen. Der Krieg hatte begonnen und es war bereits im August mit französischen Truppen am Rhein zu rechnen. Die Befestigungen in Mainz und Rheinhessen mussten daher unverzüglich ausgebaut werden. Die dreizehn vorhandenen große Forts der Mainzer Stadtbefestigung, die während der Zeit des Deutschen Bundes gebaut worden und veraltet waren, konnten einen Angriff mit modernen Kriegswaffen nicht mehr abwehren Eine neue Verteidigungslinie musste gebaut werden.
Grundlage für den Ausbau der Festung Mainz war ein sogenannter Armierungsplan, der in den Jahren vor dem Krieg vom Berliner Generalstab vorbereitet und fortlaufend aktualisiert worden war. Beginnend mit dem ersten Mobilmachungstag waren für jeden folgenden Tag bestimmte Abläufe vorgesehen. Hierzu gehörten die Überführung der im Frieden bestandenen Einrichtungen und Truppen aus der Friedensstärke in die Kriegsstärke sowie der Bau und Umbau von Festungswerken für den Kriegsfall. Nach Ablauf der ersten Armierungszeit musste die Festung einem Angriff von Feldtruppen mit schwerer Artillerie des Feldheeres - also noch nicht mit schwerer Belagerungsartillerie ausgerüstet - gewachsen sein. In einer zweiten Armierungszeit waren bis zum vierzigsten Tag nach der Mobilmachung rückständige Arbeiten zu vollenden und verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit durchzuführen. Die Festung musste »unter Anspannung aller Kräfte« bis zur vollen Widerstandsfähigkeit gegen eine Belagerung ausgebaut werden.
Betroffen von diesen Regelungen war die äußere Verteidigungslinie der Festung Mainz. Von einer Armierung der Mainzer Stadtbefestigung wurde zunächst abgesehen. Nur für den Fall, dass feindliche Truppen sich Mainz genähert hätten, wären die Forts armiert und beispielsweise mit Drahthindernissen in den Gräben ausgestattet worden. Da der Krieg aber einen anderen Verlauf nahm, blieb es im Bereich der Festung Mainz bei der Armierung der Selzstellung.
Parallel hierzu begann in den ersten Kriegstagen der Neubau von Infanterie-, Artillerie- und Munitionsräumen. Grundlage hierfür waren detaillierte Pläne, aus denen sich die genaue Lage und Ausstattung der Festungswerke ergab. Innerhalb kurzer Zeit wurden umfangreiche Bodenarbeiten vorgenommen. Es entstanden Fundamente und Bodenplatten aus Beton. Festungsbahnen lieferten anschließend die auf den Lagerplätzen gelagerten Wellbleche an, die dann vor Ort zu Deckenschalungen zusammengefügt wurden.
Diese Arbeiten waren wahrscheinlich nach zwanzig Tagen abgeschlossen. Bei einem Durchbruch französischer Truppen durch Elsass-Lothringen, was nach den Kriegsplanungen ein nicht auszuschließendes Szenario war, hätten entlang der Selzstellung trockene Unterkunftsräume für die Belegung mit deutschen Soldaten zur Verfügung gestanden. Während der Zeitspanne, in der von den Franzosen die Ausrüstung für eine förmliche Belagerung herangeschafft worden wäre, hätten weitere Befestigungsarbeiten vorgenommen und die sich im Bau befindlichen Infanterie-, Artillerie- und Munitionsräume kurzzeitig fertig gestellt werden können. Heute wissen wir, dass der Krieg einen anderen Verlauf nahm und dass es nach den ersten Monaten des Krieges nicht erforderlich war, die Festung Mainz für eine Belagerung mit schwerer Artillerie auszubauen. Deshalb dauerte es sicher noch bis Ende 1915, bis die Festungswerke der Hauptstellung fertiggestellt waren.
Anders als in Friedenzeiten wurden nach Kriegsbeginn die Armierungsarbeiten nicht ausschließlich von zivilen Arbeitskräften, sondern zum weitaus größten Teil von Soldaten durchgeführt. Damit wurden Kosten gespart und dem Mangel an Arbeitern begegnet, die jetzt überwiegend an der Front gebraucht wurden. Auch die Geheimhaltung der Arbeiten war sicher einer der Gründe für den Einsatz von Soldaten bei der Armierung. Auf qualifizierte und fachkundige zivile Handwerker sowie auf deren Ausrüstung und Arbeitsmaterial konnte allerdings nicht verzichtet werden. Im »Mainzer Anzeiger« gab es deshalb am 7. August 1914 eine »Bekanntmachung« mit dem Aufruf, dass sich »eine große Zahl Arbeiter und Handwerker jeder Art« bei »Arbeiter-Annahmestellen« in Mainz, Nieder-Ingelheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Bodenheim oder Selzen melden sollten. Da beim Bau der Selzstellung viele Erdarbeiten zu erwarten waren, wurden insbesondere »Schachtmeister« aufgefordert, sich zu melden.
Die Selzstellung wurde von mindestens 30.000 Soldaten sowie einer nicht zu schätzenden Anzahl von zivilen Arbeitern gebaut. Diese waren in den rheinhessischen Ortschaften einquartiert. Damit veränderten sich dort die Lebensverhältnisse grundlegend und es begannen bereits in den ersten Kriegstagen schwere Zeiten.
Beschreibung und Quellen der Bilder
Unten: Anzeige in der Allgemeinen Zeitung vom 3. August 1914, mit der Arbeiter und Handwerker sowie eine große Zahl von Aufsehern sofort und gegen gute Bezahlung für den Ausbau der Selzstellung gesucht wurden. Die Unterstützung der Festungskompanien durch qualifizierte zivile Arbeitskräfte war nötig, da viele junge Handwerke zum Kriegsdienst einberufen worden waren. (Quelle: Stadtarchiv Mainz)
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Das Buch zur Selzstellung
Rudolf Büllesbach / Hiltrud Hollich / Elke Tautenhahn
Bollwerk Mainz - Die Selzstellung in Rheinhessen
3. Auflage
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